Sauerkraut und nette Menschen, von Moira Mücke

Sauerkraut und nette Menschen, von Moira Mücke

Die Kunst des Kohls
– oder –
Arbeit macht Spaß – bei der Solawi Donstorf

Ein novemberlicher Samstagmorgen, kalt, grau, eigentlich ein klassischer Ich-bleibe-lieber-unter-der-Bettdecke-Tag. Doch aufauf zur Solawi in Donstorf, auch als Nichtmitglied darf man dabei sein und an der Kunst des „Sauerkrautens“ teilnehmen.

Auf der großen Diele begrüßt eine, durch sämtliche Generationen und Lebensentwürfe bunt gemischte „Crew“ vergnügt die noch ahnungslosen Neuankömmlinge, die etwas die Orientierung verlieren angesichts der verwirrend vielen Arbeitsplätze: Tische, Kübel, Holzstampfer, Waage, erschütternd große Holzkisten rappelvoll mit Spitzkohlköpfen und dem Zentrum des Geschehens: ein mit einer Kurbel betriebener altehrwürdiger Hobel, der das Kraut später in zartfeine Späne schreddern wird.

Los geht’s: Das Olle muß ab! Runter mit gammeligen Blättern oder Spuren vormaliger „Mitesser“, dann mit Messerschwung den harten Stiel und die Spitze abschlagen. Elegant wie Jugendstilornamente landen die jetzt „nackten“ hellen Spitzkohlköpfe auf einem Tisch. Ihre Formen sind immer wieder anders. Man möchte Abgüsse für Skulpturen daraus machen.

Es ist richtige Maloche, die Pfoten werden kalt, die Stimmung ist warm und fröhlich. Ein bißchen Arbeitsteilung entwickelt sich, aber alle Beteiligten probieren alle Vorgänge aus.

Die Köpfe werden halbiert, der harte Strunk muß raus. Wieder zeigt der schnöde Kohl seine künstlerische Ader in den graphischen Mustern Wellenlinien der Schnittflächen. Das war mir vorher noch nie aufgefallen. Nun ab zum Meister des Hobels, der im Fall der Solawi Donstorf ein Altmeister ist und das Kurbeln und Durschieben der halbierten Spitzköhler im Alleingang bewältigt. Um ihn herum zahlreiche Helferlein, zu grobe Stücke müssen raus aus der Auffangwanne, die Späne müssen gewogen, gesalzen (Fünf Gramm auf ein Kilo Kohl.) und gemischt werden bevor es mit ihnen schließlich zur großen Stampferei geht.

Es wird geschnackt, gelacht, Kaffee getrunken oder gar mit zwischendurch gelangweilten, möglicherweise quengeligen Mitgliedern der jüngsten Generation Spaß gemacht. Das gemeinsame Wurschteln stellt schnell Vertrautheit her und die Arbeit, die teilweise durchaus mit dem Muskeltraining in einem Fitnessstudio mithält, ohne so langweilig und sinnlos zu sein, geht erstaunlich lustig voran.

Endrunde: jetzt wird mit den langen Hölzern gestampft. Die Struktur des Gemüses muß gebrochen werden, das ist mühselig aber wichtig. Witze über Galeerentrommeln und andere Geschichten versüßen die rhythmische Monotonie.

Und dann gehts ans „Eingemachte“, einige SolawistInnen haben eigene Gärtöpfe mitgebracht. Kundige Tips und Informationen, sowie hilfreiche Hände machen so auch dem völligen Neuling gute Hoffnung, daß sein „Kraut“ das wird, was schon Wilhelm Buschs Witwe Bolte liebte. Ja, und welches mir heute, abgesehen von unserer modernen Kenntnis der erstaunlichen Vorzüge milchsauer vergorener Gemüse, welches bei der Solawi Donstorf biologisch angebaut wird, außerdem die vergnügliche Erfahrung ermöglicht hat, daß Arbeit durchaus großen Spaß machen kann.

Na, und dann saßen – wir – alle noch an einem schön gedeckten Tisch und wurden wunderbar verwöhnt durch eine andere Kunst – der des Kochens. Ich habe ja gehört, daß diese Köchin sich auch auf das Backwerk versteht und, daß jederjedejedes freitags nachmittags ab 15:00 sowohl diese Fertigkeit als auch die Solawi Donstorf kennenlernen kann.

Vielen Dank, es war sehr schön bei Euch, Moira Mücke